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04. Mai 2024Im Gespräch mit OGBL-Zentralsekretär Alain Rolling, dem Präsidenten der Personalvertretung von Tarkett, Jacques Adam und dem Delegierten für Sicherheit und Gesundheit, Jean-Marc Zabus

»Wir lehnen einen Sozialplan und die Entlassung von 126 Kollegen kategorisch ab«

Ali Ruckert

Der Präsident der Personalvertretung von Tarkett, Jacques Adam, der dem OGBL angehört, ist formell: »Als Vertreter der Beschäftigten wurden wir vom Betrieb erst sehr spät darüber in Kenntnis gesetzt, dass eine wichtige Belegschaftsversammlung stattfinden sollte, ohne dass uns der konkrete Anlass mitgeteilt wurde. Zwei Stunden bevor die Belegschaft dann über das nahende Unheil informiert wurde, wurde uns in einer Versammlung mitgeteilt, dass Tarkett entschieden habe, dass bis zum Jahresende 2024 eine komplette Produktionslinie still­gelegt und 126 Beschäftigte entlassen werden sollen.«

Überrascht und regelrecht geschockt

Auch Alain Rolling, Zentralsekretär des OGBL, der den Kollektivvertrag und die Pläne zur Aufrechterhaltung der Beschäftigung aushandelte, ist mehr als verärgert über die Vorgehensweise des Unternehmens. »Am 23. April stellte die Direktion von Tarkett über ihren Anwalt der Gewerkschaft einen Brief zu, in dem es knallhart hieß, dass das Unternehmen vorhabe, 126 der 562 Belegschafts­mitglieder aus dem Werk in Clerf über einen Sozialplan zu entlassen.

Für mich kam diese Ankündigung völlig überraschend, da erst vor wenigen Wochen ein neuer Plan zur Aufrechterhaltung der Beschäftigung mit der Direktion unterzeichnet wurde, und nichts darauf hingedeutet hatte, dass Tarkett zu solch einer brutalen Methode greifen würde.«

Aussschußpräsident Jacques Adam und der Delegierte für Sicherheit und Gesundheit im Betrieb, Jean-Marc Zabus, gleichfalls OGBL-Ge­werk­schaf­­ter, bestätigen das und erinnern sich, dass sie vollständig überrascht und re­gel­recht geschockt über die angekündigten Entlassungen waren, da das zuvor zu keinem Zeitpunkt auch nur angedeutet worden war.

Richtig ist wohl, dass die Entscheidung über die Still­legung einer Produktionslinie für Bodenbeläge in Clerf im Hauptquartier des Unternehmens im Pariser Nobelviertel La Défense getroffen wurde, und anschließend offenbar eine Reihe Kriterien aufgestellt wurden, um die Stilllegung der Produktionslinie zu rechtfertigen und die Produktion nach Konz in Deutschland auszulagern. Kriterien wie die Sicherheit, die bei Tarkett insgesamt und noch mehr im Werk in Clerf großgeschrieben wird, und die Erfahrung der Beschäftigten, gehörten offenbar nicht dazu.

Dafür aber wurde geltend gemacht, dass die Produktionslinie wegen Überkapazitäten und »technologischer Inflexibilität« stillgelegt und abgerissen werden soll.

Über neue Investitionen und eine modernere Beschichtungsanlage wurde erst gar nicht nachgedacht. Die Direktion wurde offenbar nur nachdrücklich angewiesen, den in Paris beschlossenen Sozialplan mit allen Mitteln durchzusetzen.

Wer 51 oder älter ist, soll entlassen werden

Noch schlimmer finden es Jacques Adam und Jean-Marc Zabus, dass im Betrieb offenbar viele Beschäftigte, die 51 Jahre und älter sind, ausgesondert werden, um auf die Straße gesetzt zu werden, eben weil sie aufgrund ihrer langen Betriebszugehörigkeit höhere Löhne haben und zu teuer für die Aktionäre werden, die möglichst hohen Profit auf Kosten der Belegschaft machen wollen.

Geradezu niederträchtig ist, dass die Direktion von Tarkett offenbar von den Kollegen, die auf der Abschussliste stehen, auch noch verlangen will, während der nächsten Monate ihr Know­how an andere Belegschaftsmitglieder weiterzugeben und möglicherweise auch noch auf Überstunden zurückgreifen will.

Wie das in der Praxis geschehen soll, bleibt ein Rätsel, denn wie kann man von Beschäftigten, die wissen, dass ihre gute Arbeit damit »belohnt« wird, dass sie kurzerhand auf die Straße gesetzt werden sollen, auch noch Motivation und Einsatz für den Betrieb erwarten? Ist es nicht naheliegend, dass Belegschaftsmitglieder versuchen wer­den, so schnell wie mö­glich dem Betrieb den Rücken zu kehren?

Auf die Frage, was nun geschehen soll, antworten die drei Gewerkschafter wie aus einem Mund: »Wir werden unsere Kollegen mit allen Mitteln verteidigen und werden alles daransetzen, um einen Sozialplan und die Entlassung von 126 Kollegen zu verhindern.«

Gebraucht wird ein Plan zur Aufrechterhaltung der Beschäftigung

Zentralsekretär Alain Rolling, der viel Erfahrung hat und dafür bekannt ist, hart zu verhandeln und die Lohnabhängen konsequent zu verteidigen, lässt keine Zweifel aufkommen: »Im Auftrag der Belegschaft, der Personalvertretung und der Gewerkschaft habe ich der Direktion unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass diese Methoden mit uns nicht ziehen und wir es daher ablehnen, über einen Sozialplan und die Entlassung von 126 Kollegen zu verhandeln.

Was nutzt da eine Charta über den Sozialdialog, mit der sich Tarkett brüstet, wenn in der Praxis brutale Entlassungen vorgenommen werden? Wir sind uns einig, dass es keinen Sozialplan geben darf, sondern über eine Anpassung des Plans zur Aufrechterhaltung der Beschäftigung verhandelt werden soll.

Wir haben ohnehin das Vertrauen in die Patronatsseite verloren, nach dem, was alles passiert ist. Und wer sagt uns, dass nach der Stilllegung einer Produktionslinie, demnächst nicht der ganze Standort von den Aktionären in Paris in Frage gestellt wird, weil er ihnen nicht genug Profit abwirft?«

Am Montag soll ein weiteres Treffen mit der Direktion stattfinden, doch was wird passieren, wenn die Patronatsvertreter stur an einem Sozialplan und 126 Entlassungen festhalten werden?

»Dann bleiben uns immer noch gewerkschaftliche Aktionen und die Mobilisierung der Beschäftigten«, so die drei Gewerkschafter, die darauf hinweisen, wie wichtig die Solidarität zwischen den Kollegen im Betrieb ist, um das schlimm­ste Szenario zu verhindern.